Karl-Heinz Klopf

Karl-Heinz Klopf

MIND THE STEPS

Projekt für die 9. Internationale Istanbul Biennial, 2005

 

Bernhard Rudofsky stellte in seiner 1969 erschienenen Lobpreisung auf die menschenfreundlichen Straßen „Streets for People“ fest, dass das Stufensteigen für den modernen Industriemenschen eine atavistische Tätigkeit geworden ist. In seiner Polemik streicht er beispielhaft die Vorzüge und die Poesie der Treppenanlagen der Hügelstadt Rom hervor.

 

Das ebenfalls auf sieben Hügeln erbaute Istanbul weist eine extreme Topografie auf, die den Ausbau moderner öffentlicher Verkehrssysteme bisher nur schwer ermöglichte. Istanbul ist in weiten Bereichen noch immer eine Stadt der Fußgänger.

Aus der Überschneidung von steilen Straßen und der Horizontalität der Häuser ergeben sich im Gehsteigbereich oft extreme Höhendifferenzen, die überwunden werden müssen. Dafür sind oft komplexe Stufenformationen notwendig, die manchmal an geometrisch minimalistische Skulpturen erinnern, dann wieder eher an Objekte der Arte Povera, je nach Alter und Art der Ausführung. Man kann leicht erkennen, dass diese Stufen meistens ohne Planung ausgeführt sind. Das kommt daher, dass die Gehsteige und Stufen bisher nicht von der Stadtverwaltung ausgeführt wurden, sondern von den Hausbesitzern. Die jeweiligen Materialien, Farben und Konstellationen sind sehr unterschiedlich. Was gerade zur Hand war, wurde verwendet. Auf die ergonomischen Notwendigkeiten wird meistens nur annähernd Rücksicht genommen.

 

Es sind manchmal ganze Ensembles von unterschiedlich hohen und langen Stufen, die spielerisch und improvisiert hingebaut wurden. Diese patchworkartigen Details können als miniaturisierte Metapher des gebauten Istanbul betrachtet werden.

 

Für die 9. Internationale Istanbul Biennale werden einige exemplarische Stufenformationen mit Bühnenscheinwerfern beleuchtet und während der Eröffnungstage von verschiedenen Musik- und Performancegruppen bespielt.

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